(Bild: Marianne Birthler, Roland Jahn und Herr „Gauckler“ wie viele von uns ihn nennen, feixen zufrieden...    Gustav Rust)

 

 

 

Deutschland Deine Aufarbeiter nach getaner Arbeit: Keine Gerechtigkeit für STASI - Opfer – Geschichte des MfS und der NVA, der Justiz, der KIRCHE der Ärzteschafft geklittert und nach 25 Jahren unaufgeklärt… für 2,5 Milliarden Euro !?

 

                                Strafvollzugs-Anstalt / Strafvollzugs-Einrichtung Berlin-Rummelsburg (genannt „Rummeline“)

                                Bildquelle: Weltnetz (Das Bild der "Rummeline" aus den Seiten von Adam Lauks war ungeeignet)


In GORKI auf der Entlassungsfahrt im Gefängnis nach unbehandelter oder falscher "Behandlung" verstorben.

                                                                                                                                                 Ernst Nisse (oder Misse), Sachse.




https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14327920.html          25.02.1980

 

DDR-KABARETT „Frohes Lachen“

 

Die SED fördert nach Kräften die vielen Kabaretts - wenn die Satire harmlos bleibt.

DDR-Satiriker brauchen oft Mut - und sei es nur als Aufhänger für ihre Scherze. "Mut ist", verkündete etwa das Ost-Berliner Kabarett "Die Distel", "wenn du im Konsum-Warenhaus statt im Intershop einen Farbfernseher mit allen Systemen verlangst."

Verwegener nahm die Leipziger "Pfeffermühle" das Stichwort auf und ließ auf der Bühne zwei Kabarettisten und einen Werkleiter das Thema "iskutieren "Wozu braucht man Mut?" 1. Kabarettist: Zum Beispiel, um Erich Honecker in einem Satz mit Kartoffelpuffern zu " erwähnen. 

2. Kabarettist: Dazu braucht man doch keinen Mut, dazu  braucht man höchstens genießbare Kartoffeln.

 Werkleiter: Sie können doch einen führenden Staatsmann nicht  im Zusammenhang mit Kartoffelpuffern nennen. 

1. Kabarettist: Na, ist doch gar nicht schlecht. Das sollte man sogar mal unserer Presse vorschlagen. 

2. Kabarettist: Ja, das ist gut. Ich könnte mir vorstellen, daß die NBI ...

Werkleiter: ... Wer?

2. Kabarettist: ... die NBI (Neue Berliner Illustrierte), die  Nichtssagende Bescheidene Illustrierte, endlich mal Funktion und Profil erhält, auf die Interessen ihrer Leser eingeht und nicht darüber berichtet, daß Horst Sindermann in Prag weilt, sondern wie er dort lebt: Ob er zum Abschiedsempfang Staropramen (tschechisches Bier) ausschenkt oder eine Kiste Radeberger Pils durch den Zoll geschmuggelt hat ...

1. Kabarettist: ... ob es Prager Schinken gibt ...

2. Kabarettist: ... oder Kartoffelpuffer. Millionen DDR-Bürger essen leidenschaftlich Kartoffelpuffer, und wenn die durch die Presse erfahren, daß Horst Sindermann auch mal eben nicht nur Kaviar, sondern Kartoffelpuffer zu sich nimmt, dann gibt das ganz persönliche Beziehungen.

Daß so der üppige Lebensstil des Spitzengenossen Sindermann, Präsident der Volkskammer, karikiert wird, ließen die Kulturfunktionäre gerade noch durchgehen. Denn unmittelbar auf diese Fottise erklärten die Kabarettisten scheinheilig ihr Anliegen: Werkleiter: Ich weiß jetzt, was Sie wollen. Sie wollen, daß der Leiter, der Verantwortung trägt, nicht zum Funktionär degradiert, sondern als Mensch gesehen wird. Mit all seinen Mängeln und Vorzügen. Mit all seinen Erfolgen und Mißerfolgen.

Mit ihrem nächsten Programm bewies die "Pfeffermühle" jedoch, daß DDR-Satiriker tatsächlich Mut brauchen: Im vergangenen November wurde der Kabarett-Direktor Horst Günther gefeuert, Dramaturg und Texter Rainer Otto kam mit einem Parteiverfahren davon.

Anlaß für die Absetzung des Programms war eine Szene, in der ein Vorauskommando des Staatssicherheitsdienstes in der Wohnung eines jungen Ehepaares den "spontanen Besuch" des SED-Generalsekretärs Erich Honecker probt. Über den Stasi und den Parteichef hat sich niemand lustig zu machen.

Denn DDR-Satire, das hatte der gemaßregelte Dramaturg Otto vor Jahren selbst gesagt, besteht nicht darin, "daß Parteiprominenz durch den Kakao gezogen, die Regierung zur Schnecke gemacht, der Landesvater - Pardon-verscheißert wird".

Es darf gelacht werden, aber nicht über den Sozialismus und die Stützen der Gesellschaft. Otto Stark, Direktor der Ost-Berliner "Distel": "Wir wollen ein frohes Lachen, das bekanntlich ein Ausdruck der Stärke und Überlegenheit ist."

Im kleinen ist Kritik erlaubt. Wenn bloß Belanglosigkeiten mit heiterem Frohsinn vorgeführt werden, sind selbst Institutionen wie die Nationale Volksarmee für Scherze freigegeben. So provozieren die Schelme des Kabaretts "Die Kneifzange" ein "frohes Lachen" mit folgender Darbietung:

Eine tschechoslowakische Soldatendelegation besucht die ostdeutschen Verbündeten. Ein Tscheche ist sehr beeindruckt von dem "Interesse für Bücher. In der Bibliothek hat es gewimmelt von Soldaten. Haben sich gerissen Bücher gegenseitig aus der Hand". Erstaunen im Publikum, bis die Erklärung folgt: "Das war so mit den Büchern - bevor die Delegation kam, hat der Spieß verkündet: In der Bibliothek, Genossen, haben wir zwanzigtausend Bücher, und in einem davon befindet S.78 sich ein unterschriebener und gesiegelter Urlaubsschein."

Mit solch ätzender Schonungslosigkeit pflegen DDR-Satiriker die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bloßzulegen, Kritik zu üben am "Schönfärben der nicht immer ganz rosigen Wirklichkeit", wie das Ost-Berliner "Taschenbuch der Künste", Abteilung "Kabarettgeschichte", die Aufgaben sozialistischer Satire sieht.

Kritik ja, aber in netter Form. O-Ton "Distel": "Alles hat bei uns zwei Seiten, eine schöne und eine sehr schöne. Den schönen Seiten begegnen wir täglich im Nahverkehr, im Konsum, im Betrieb, den sehr schönen in der Presse."

Freilich gehen die Berliner Kabarettisten zuweilen auch despektierlich mit ihrer Obrigkeit um. Daß der SED-Staat der eigenen Bevölkerung viele Waren nur gegen westdeutsches Geld verkauft, "eralberten sie mit einem Lied, frei nach der "Dreigroschenoper": "Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht." „Meine Oma, die hat keene, Zahngold gibt's für Ostgeld nicht."

Gleichwohl: Wird ein Ärgernis so fidel vorgetragen, dann reagiert das Publikum mit dem geforderten frohen Lachen. Als Schnurre verpackt, dürfen die DDR-Kabaretts Unmut der Bürger artikulieren und sich - sofern sie Verantwortliche nicht beim Namen nennen - über Schlamperei in den Betrieben und Wichtigtuerei in Parteibüros mokieren.

Wenn Kabarettisten nur über die anonymen "Schaumschläger des VEB Schlagfix" höhnen, ist ihnen sogar das Wohlwollen der Partei sicher: Da agitieren sie schließlich gegen Mißstände im Sozialismus, und das erklärt, weshalb die SED die Kabaretts im Lande kräftig fördert.

Zwölf Berufs- und über 600 Laienkabaretts gibt es derzeit in der DDR. Fast jede größere Firma hat ihre Betriebs-Satiriker -- die Geräte- und Reglerwerke Teltow ihre "Teltower Rüpel", das VEB Kombinat Robotron in Dresden seine "Lachkarte", die Berliner Postdirektion ihre "Klapperschlangen".

Sie alle müssen nicht nur Frohsinn verbreiten, sondern vorwiegend ihren "gesellschaftlichen Auftrag bei der Herausbildung sozialistischer Denk- und Verhaltensweisen" erfüllen, so der stellvertretende Minister für Kultur, Siegfried Wagner.

Wie alles in der DDR hat auch der organisierte Spaß eine gesellschaftliche Funktion. Der wissenschaftliche Beirat für Volkskunst beim Ministerium für Kultur in einer ernstgemeinten Leitlinie: "Der Beitrag des Kabaretts besteht hauptsächlich in der satirischen beziehungsweise humoristischen Beleuchtung von subjektiver Nichterfüllung gesellschaftlicher Erfordernisse, beabsichtigt als produktive Kritik, die Denkanstöße und Handlungsimpulse zur weiteren Vervollkommnung des Menschen gibt."

Versteht sich, daß eine Bürokratie, die so fürsorglich Humor und Satire gedeihen läßt, den Spaß auch ordentlich verwaltet. Wie Maurerbrigaden zum sozialistischen Wettmörteln lassen sie Kabarettgruppen zum "Zentralen Leistungsvergleich" antreten: Wer geißelt einen Mißstand am ulkigsten?

Nicht die schiere Possenreißerei ist gefragt, sondern die spaßige Beschäftigung mit Unzulänglichkeiten. Und das ist oft gar nicht so spaßig, weil die Partei den Humor ernst nimmt.

Um die Amateure kümmert sich die Zentrale Arbeitsgemeinschaft (ZAG) Kabarett beim Zentralhaus für Kulturarbeit in Leipzig; die ZAG gibt Ratschläge zur "thematisch-inhaltlichen Ausrichtung", besorgt Räume und Themenvorschläge. Aus dem ZAG-Katalog: "Gestaltung der Arbeiterpersönlichkeit im Kabarett, Kabarett in der sozialistischen Landwirtschaft, Kabarett in der Klassenauseinandersetzung, Kabarett und Jugend in der sozialistischen Gesellschaft".

Doch statt dessen bringen Amateurgruppen oft nur arglose Narretei, etwa wenn "Die Dornen" aus Halle reimen: "Das Haus hat keinen Erker, die Jungfrau hat kein Bett, wir haben manchmal Ärger, wir spielen Kabarett."

Drollig sollen die Jung-Satiriker nicht sein; der Partei sind sie ohnehin meist zu milde. So wünscht das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland", "daß einige Gruppen aktuellen Problemen noch hautnäher zu Leibe rücken sollten".

Bei den Berufskabaretts hingegen fürchtet die Partei eher, daß sie zu sehr den Nerv treffen. Da muß ein nahezu lückenloses Kontrollsystem für parteikonforme Satire sorgen.

Zunächst prüft der Direktor des Kabaretts die Texte auf ideologische Sauberkeit, zumeist mit Hilfe eines ehrenamtlichen Beraters aus dem Partei- und S.80 Staatsapparat. Für die "Distel" beispielsweise hatte jahrelang der Gesellschaftswissenschaftler Professor Hoyer herauszufinden, ob allzu kritische Beiträge noch die marxistisch-leninistische Grundordnung vertreten.

Dann legt der Direktor in der Regel die Texte zur Begutachtung der SED-Bezirksleitung vor, und schließlich erscheint ein Parteifunktionär bei der Haupt- oder Generalprobe zur Abnahme des Programms - schließlich könnte der Regisseur eine Szene so tückisch angelegt haben, daß falsche Lacher aus dem Publikum kommen.

Viele Kabarett-Chefs wie der "Distel"-Direktor Stark haben, um ganz sicher zu gehen, ihren Schauspielern jegliche Improvisation untersagt, spontane Einfälle zu Tagesereignissen sind verpönt. Dabei findet die Zensur schon im Kopf der Autoren statt: Unbotmäßige Texte werden nicht angenommen. Als der Ost-Berliner "Distel"-Autor Jürgen Klammer einen Ausreiseantrag stellte und daraufhin aus der SED ausgeschlossen wurde, konnte er hinfort kein Lachwerk mehr verkaufen.

Die im vergangenen Sommer verschärften Strafgesetzte drohen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren jedem Untertanen an, der "in der Öffentlichkeit die staatliche Ordnung oder staatliche Organe ... oder deren Tätigkeit ... herabwürdigt", so Paragraph 220 StGB.

Erstes Opfer dieser Strafverschärfung wurde Manfred Bartz, Texter für die "Distel" und die Dresdner "Herkuleskeule". Bartz, der zur Absicherung seines Lebensunterhalts als Nachtwächter in der Ost-Berliner Stadtbibliothek arbeitete, wurde im November verhaftet. Offizielle Anschuldigung: "Weitergabe nichtöffentlicher Informationen".

Wo nach der Leitlinie des Kulturministers Satire "Denkanstöße zur weiteren Vervollkommnung des Menschen" geben soll und wo die Partei und ihre Repräsentanten schon vollkommen sind, bleibt den Kabaretts kaum mehr als die Alternative zwischen lustigem Schabernack und fadem Agitprop.

"Von heiter über ulkig bis urkomisch", kugelte sich der Rezensent der (Ost-)"Berliner Zeitung" über das "Distel"-Programm vom vergangenen Jahr - das Paradekabarett der DDR, das "ein frohes Lachen" will, erhielt zu Recht den "Vaterländischen Verdienstorden in Silber".

Wie nett und unverbindlich Sticheleien vorgebracht werden, demonstrierte mustergültig "Das Fettnäppchen" aus Gera, als es über altgediente SED-Bürokraten herzog. Goethe und Schiller unterhalte" sich auf ihren Denkmalssockeln.

Schiller: Alles drängt nach Berlin.

Goethe: Nur uns Denkmäler lassen sie stehen.

Schiller: Ein Denkmal kann sich nicht wehren.

Goethe: Und das nennen sie dann auch noch Denkmalsschutz. Wenn erst mal einer wo steht, dann steht er, solange er lebt."

Schiller: Na ja, eigentlich leben Denkmäler ja gar nicht" mehr.

Goethe: Doch. In der DDR leben noch manche. Oder sagen wir: Man macht schon zu Lebzeiten Denkmäler aus ihnen. Aber erstens stehen diese Denkmäler meist nicht, sondern sie sitzen. Und zweitens nicht auf Sockeln, sondern auf Planstellen. Aber sonst ist alles wie bei uns. Sie sind fest " und unerschütterlich im Wege ... äh ... zum Sozialismus.

Schiller: Ich denke, im Sozialismus geht es nach Leistung.

Goethe: Natürlich. Mancher, der mal was geleistet hat, kann sich bis in alle Ewigkeit die Planstelle leisten, auf der er mal was geleistet hat.

Schiller: Und wenn er jetzt nichts mehr leistet?

Goethe: Dann muß er - wie wir - bleiben, wo er ist, und stillhalten. Wer nichts tut, begeht keine Fehler. Wer keine Fehler begeht, fällt nicht auf. Wer nicht auffällt dem passiert nichts.

Da fühlt sich von den Parteifunktionären keiner getroffen - gemeint sind ja die anderen. Heikel wird es für die Ost-Satiriker, wenn sie Namen nennen, wenn die Leipziger "Pfeffermühle", das bislang frechste DDR-Kabarett, sich über den Kaviarfreund Sindermann mokiert oder bekrittelt, daß Parteichef Honecker seine spontanen Besuche bei Werktätigen vom Stasi vorbereiten läßt.

Schon in den 50er Jahren hatte die SED die Leipziger Kabarettisten gemaßregelt, der "Pfeffermühle"-Direktor Conrad Reinhold setzte sich 1957 in die Bundesrepublik ab. Der Direktor Edgar Külow, der zugleich auch Regisseur, Schauspieler und Texter war, wurde 1964 nach zweijähriger Tätigkeit amtsenthoben. "Ein prächtiges Kollektiv", lobten damals die "Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten", das "manchmal allerdings doch noch vom falschen Standpunkt aus" die Schwächen der DDR betrachte.

Diesen Standpunkt behielt das Kabarett auch unter Külow-Nachfolger Horst Günther bei, der, gedeckt vom SED-Bezirksleiter, nun auch Parteiobere namentlich anging. Und sein Dramaturg und Texter Rainer Otto monierte, das DDR-Kabarett nehme "immer noch zu stark nur Anstoß an äußeren Erscheinungen" - "zu oft fehlen Ursachen und Auswirkungen der dargestellten Erscheinungen".

Wenn hingegen die "Pfeffermühle" sich beispielsweise über den jämmerlichen Zustand der Straßen ausließ, genügten zwei Sätze: "Sie wissen ja, warum wir so viele Schlaglöcher haben. Weil wir die nicht exportieren können."

Beraten durch ein Unternehmen -den VEB Industrie-Montagen Leipzig -, spottete die "Pfeffermühle" mehr als andere Bühnen über die wirtschaftliche Misere und ihre Ursachen, beschrieb sarkastischer als andere den DDR-Alltag - bis es Ost-Berlin zuviel wurde.

Im Frühjahr wird nun das unbotmäßige Kabarett unter neuer Leitung wiedereröffnet: Nachfolger des geschaßten Günther ist Hans-Dieter Schmidt, der sich bislang als Chef des Kinder- und Jugendtheaters Halle keinen Namen gemacht hat. Der neue "Pfeffermühle"-Direktor kann seinen Job lange behalten - wenn er den Tip seines altgedienten "Distel"-Kollegen befolgt.

Der Ost-Berliner Chefkabarettist Otto Stark: "Da auch wir aus Erfahrung klug werden, haben wir im Zuge der Verbesserung unserer eigenen Arbeitsbedingungen den Holzhammer, den wir zuweilen schwingen, mit einem Schaumgummipolster versehen. Nun sind unsere eigenen Daumen weniger blau."

 

S.76

1. Kabarettist: Zum Beispiel, um Erich Honecker in einem Satz mit

Kartoffelpuffern zu erwähnen.

2. Kabarettist: Dazu braucht man doch keinen Mut, dazu braucht man

höchstens genießbare Kartoffeln.

Werkleiter: Sie können doch einen führenden Staatsmann nicht im

Zusammenhang mit Kartoffelpuffern nennen.

1. Kabarettist: Na, ist doch gar nicht schlecht. Das sollte man

sogar mal unserer Presse vorschlagen.

2. Kabarettist: Ja, das ist gut. Ich könnte mir vorstellen, daß die

NBI ...

Werkleiter: ... Wer?

2. Kabarettist: ... die NBI (Neue Berliner Illustrierte), die

Nichtssagende Bescheidene Illustrierte, endlich mal Funktion und

Profil erhält, auf die Interessen ihrer Leser eingeht und nicht

darüber berichtet, daß Horst Sindermann in Prag weilt, sondern wie

er dort lebt: Ob er zum Abschiedsempfang Staropramen (tschechisches

Bier) ausschenkt oder eine Kiste Radeberger Pils durch den Zoll

geschmuggelt hat ...

1. Kabarettist: ... ob es Prager Schinken gibt ...

2. Kabarettist: ... oder Kartoffelpuffer. Millionen DDR-Bürger essen

leidenschaftlich Kartoffelpuffer, und wenn die durch die Presse

erfahren, daß Horst Sindermann auch mal eben nicht nur Kaviar,

sondern Kartoffelpuffer zu sich nimmt, dann gibt das ganz

persönliche Beziehungen.

*

Werkleiter: Ich weiß jetzt, was Sie wollen. Sie wollen, daß der

Leiter, der Verantwortung trägt, nicht zum Funktionär degradiert,

sondern als Mensch gesehen wird. Mit all seinen Mängeln und

Vorzügen. Mit all seinen Erfolgen und Mißerfolgen.

S.78

Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht. Meine

Oma, die hat keene, Zahngold gibt's für Ostgeld nicht.

*

S.80

Goethe und Schiller unterhalten sich auf ihren Denkmalssockeln.

Schiller: Alles drängt nach Berlin.

Goethe: Nur uns Denkmäler lassen sie stehen.

Schiller: Ein Denkmal kann sich nicht wehren.

Goethe: Und das nennen sie dann auch noch Denkmalsschutz. Wenn erst

mal einer wo steht, dann steht er, solange er lebt.

Schiller: Na ja, eigentlich leben Denkmäler ja gar nicht mehr.

Goethe: Doch. In der DDR leben noch manche. Oder sagen wir: Man

macht schon zu Lebzeiten Denkmäler aus ihnen. Aber erstens stehen

diese Denkmäler meist nicht, sondern sie sitzen. Und zweitens nicht

auf Sockeln, sondern auf Planstellen. Aber sonst ist alles wie bei

uns. Sie sind fest und unerschütterlich im Wege ... äh ... zum

Sozialismus.

Schiller: Ich denke, im Sozialismus geht es nach Leistung.

Goethe: Natürlich. Mancher, der mal was geleistet hat, kann sich bis

in alle Ewigkeit die Planstelle leisten, auf der er mal was

geleistet hat.

Schiller: Und wenn er jetzt nichts mehr leistet?

Goethe: Dann muß er - wie wir - bleiben, wo er ist, und stillhalten.

Wer nichts tut, begeht keine Fehler. Wer keine Fehler begeht, fällt

nicht auf. Wer nicht auffällt dem passiert nichts.



Nachruf Kamerad Werner Sperling


Opfer der Schandmauer Lutz Haberlandt



Aus der "Freiheitsglocke", Juli/August 2019


Gustav Rust malt 1996 die Schrift der Gedenkplatten auf dem Bürgersteig in der Bernauer Straße aus.

Mahnwache in der Bernauer Straße.

Links: Kamerad Rüdiger Schirner, im hellem Anzug: Hans Schwenke, ganz rechts Angelika Barbe.


Mein Stand vor Mielkes Haus 1 in der Ruschestraße 103.

Mein Stand vor dem Deutschen Historischen Museum.


Protest-Tätowierung auf dem Rücken meines Haftkameraden Reinhard Fricke (†)



Entlassungsschein Alfred Trapp aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Berlin-Weissensee




Spektakulärer Fluchtversuch

Mit dem Hubschrauber sollte es in die Freiheit gehen

Der NVA-Hubschrauber in der Kita. Ganz links im Bild sieht man einen Stasi-Mitarbeiter, der das Fluchtobjekt inspiziert
Der NVA-Hubschrauber in der Kita. Ganz links im Bild sieht man einen Stasi-Mitarbeiter, der das Fluchtobjekt inspiziert Foto: BSTU

Von 

Nächste Woche jährt sich der Mauerbau. B.Z. hat Einblick in eine Stasi-Akte, die einen spektakulären Fluchtversuch nach West-Berlin dokumentiert.

Es ist 4.15 Uhr, tiefste Nacht. In Guben herrscht absolute Stille. Die Rotoren eines Hubschraubers beginnen sich zu drehen. Immer schneller.

Es wummert, zischt und knallt. Der ohrenbetäubende Lärm weckt an diesem 5. November 1971 viele Einwohner der Kreisstadt in der Niederlausitz. Der Helikopter hebt gut einen Meter ab – dann sackt er ächzend zu Boden. Einer der spektakulärsten Fluchtversuche aus der DDR ist gescheitert!

Viermal saß Manfred Krafft aus politischen Gründen in der DDR ein. Oben: Seine Verhaftungsfotos aus der Stasi-Akte von 1971
Viermal saß Manfred Krafft aus politischen Gründen in der DDR ein. Oben: Seine Verhaftungsfotos aus der Stasi-Akte von 1971 Foto: BSTU

B.Z. erzählt zum ersten Mal die Geschichte dieser waghalsigen Flucht und sprach mit einem der drei beteiligten Männer. Und konnte die Stasi-Akte einsehen, die den Fluchtversuch akribisch dokumentiert. Der verwegene Plan: mit dem Hubschrauber nach West-Berlin fliegen und auf dem Dach des Springer-Hochhauses landen, neben dem damals direkt die Mauer stand.

Das frühere Zuchthaus Cottbus, heute Gedenkstätte des Menschenrechtszentrum e. V. Ein älterer Herr mit schlohweißem Haar geht entlang der fünf Meter hohen Gefängnismauer zu den Hafthäusern. Hier saß Manfred Krafft ein. Er spricht leise und mit heiserer Stimme. Ein Folgeschaden der Haft. Krafft ist am 6. November 1940 geboren, wohnt heute in der Karpfenstadt Peitz. Wie schön wäre es gewesen, seinen 31. Geburtstag, nur einen Tag nach der Flucht, in Freiheit feiern zu können. Stattdessen landete er im Zuchthaus.

Manfred Krafft (82) an der alten roten Gefängnismauer des Zuchthauses Cottbus
Manfred Krafft (82) an der alten roten Gefängnismauer des Zuchthauses Cottbus Foto: Tomas Kittan

Ende der 60er-Jahre lernt Autolackierer Krafft den Schlosser Hans-Jürgen K.  (78) kennen. Sie werden Freunde, schrauben gemeinsam an Motoren. Im Sommer 1971 entdeckt K. in der Gubener Kita „Meister Nadelöhr“ (benannt nach einer DDR-Fernsehfigur) einen ausrangierten NVA-Hubschrauber im Garten.

Der war „als Beitrag zur sozialistischen Wehrerziehung im Vorschulalter“ dort hingestellt worden. Er erzählt seinem Kumpel Manfred begeistert: „Manne, den kriegen wir wieder flott und dann hauen wir endlich ab.“ Die beiden jungen Männer hatten mit dem SED-Staat gebrochen, waren oft angeeckt und saßen schon aus politischen Gründen im Knast. Krafft: „Einmal, weil ich eine DDR-Fahne verbrannte, ein anderes Mal beschimpfte ich den strengen Meister im Betrieb als ,Kommunistenschwein‘ und ,Parteibonze‘.“

Monatelang fuhren beide und ein weiterer Kumpel, Manfred B.  (79), den sie aus der Stasi-Haft kannten, zum Helikopter. Sie wollten ihn heimlich flugfähig machen. Immer nachts, Ersatzteile wurde mühevoll besorgt. Krafft: „Ich organisierte fünf 20-Liter-Kanister und den Sprit dafür.“  

Die Instrumententafel im Cockpit des Hubschraubers. Der Heli hob tatsächlich einen Meter von der Erde ab
Foto: BSTU

Am 5. November ist Vollmond, der Helikopter startklar. Krafft: „Hans-Jürgen schwärmte schon von einer aufsehenerregenden Landung auf dem Springer-Hochhaus und von einem freien Leben in West-Berlin. Das wollte ich auch, bekam aber Muffensausen. Soll ich wirklich abhauen, meine Eltern und Freunde allein lassen? Und so half ich Hans-Jürgen nur beim Start.“ Und der dritte Mann?

Nach dem Fluchtversuch machte Leutnant Krahl der DDR-Kripo diese Zeichnung vom Tatort. Man erkennt, dass der Hubschrauber vor dem Start unter den Bäumen weggeschoben wurde
Nach dem Fluchtversuch machte Leutnant Krahl der DDR-Kripo diese Zeichnung vom Tatort. Man erkennt, dass der Hubschrauber vor dem Start unter den Bäumen weggeschoben wurde Foto: BSTU

„Der wollte angeblich erst nach dem Abheben bei einer Zwischenlandung außerhalb von Guben zusteigen.“ Doch ihr vermeintlicher Kumpel hat sie längst an die Stasi verraten. Die observierte die Fluchtvorbereitungen, manipulierte den Hubschrauber so, dass ein Wegfliegen unmöglich war.  

Hans-Jürgen B. und Manfred Krafft gelingt nach dem Fehlstart noch die Flucht aus der Kita. Kurz danach werden beide jedoch verhaftet und in einem nicht öffentlichen Prozess verurteilt. „Mein Freund wegen versuchter Republikflucht und Terror zu fünf und ich wegen Beihilfe zu drei Jahren Zuchthaus. Die mussten wir in Cottbus absitzen,“ erzählt Krafft.

Auch Polizisten waren bei der Aufklärung des Fluchtversuches dabei – blicken in den Helikopter
Auch Polizisten waren bei der Aufklärung des Fluchtversuches dabei – blicken in den Helikopter Foto: BSTU

Er wird in eine Zelle ohne Fenster zum Öffnen gesteckt. Mit 24 Männern zusammen, Dreistockbetten, einem Klo und einem Waschbecken mit kaltem Wasser. Er bekommt durch die Haftzwangsarbeit für den VEB Pentacon schweren Husten, wird dauerhaft heiser und leidet sehr unter dem Asthma.

1973 wird Krafft nach der Amnestie zum 23.  DDR-Jahrestag entlassen, Hans-Jürgen  B. erst 1974 durch die Bundesrepublik freigekauft. Verräter Manfred B. kam ungeschoren davon und tauchte unter.

Der Auszug aus der Stasi-Akte. Der Verräter der Flucht, Manfred B., sagte aus, dass man auf dem Springer-Hochhaus landen wollte
Der Auszug aus der Stasi-Akte. Der Verräter der Flucht, Manfred B., sagte aus, dass man auf dem Springer-Hochhaus landen wollte Foto: BSTU

Nach dem Mauerfall siedelte Hans-Jürgen B. wieder in seine alte Heimat über, lebt heute in einem Pflegeheim. Krafft hat sich in Peitz ein Grundstück gekauft und dort ein Haus gebaut. Anfang der 90er-Jahre wurde er juristisch rehabilitiert und 1995 in Folge der Haft erwerbsunfähig. Seit Jahren engagiert er sich im Menschenrechtszentrum Cottbus e. V. (MRZ), dem Trägerverein des früheren Zuchthauses Cottbus. Als MRZ-Mitglied ist er nun sogar Mitbesitzer des Gefängnisses, in dem er einsaß. Krafft stolz: „Was für ein toller Sieg über den SED-Staat.“

Manchmal fährt er noch zur Kita, wo der Helikopter stand. Der wurde nach dem Fluchtversuch entfernt und in einem NVA-Bunker verschlossen. Gegenüber der Kita war damals eine Sparkasse und die Tuchfabrik, direkt am Ufer der Neiße.

 


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